Geschichte. Erinnerung. Bildung. Musik. Film.
Ich wand’re durch Theresienstadt
Im Rahmen des Projekts „Ich wand’re durch Theresienstadt“ haben SchülerInnen und Lehrkräfte die Möglichkeit, u.a. die Musikstücke der in Theresienstadt inhaftierten Komponisten Pavel Haas und Hans Krása sowie die Texte der Lyrikerin Ilse Weber kennenzulernen und sich mit ihrem historischen und kulturellen Wert auseinanderzusetzen. Künstlerisch begleitet werden sie dabei von TV-Star Roman Knižka und dem renommierten Bläserquintett OPUS 45 in Kooperation mit dem Jugend- & Kulturprojekt e.V. aus Dresden.
Die Auseinandersetzung findet im Rahmen von schulinternen Workshops und öffentlichen Konzerten statt. Die dafür ausgewählten Orte sind Berlin, Dresden, Hamburg, München, Strausberg, sowie die deutsche Partnerstadt von Terezín (Theresienstadt). Die SchülerInnen werden im Zuge der Workshops selbst kreativ, gestalten etwa Texte und Videos zum Thema. Sie gehen der Frage nach, was Kunstschaffen für die Menschen in Theresienstadt bedeutete und welche Bedeutung Kunst für Jugendliche heute hat.
Einzelne Ergebnisse der Workshops werden als Statements bzw. Performance in die Konzerte einfließen und zudem filmisch dokumentiert. In jeder der ausgewählten Städte wird es im Anschluss an die schulinternen Workshops ein öffentliches Konzert an prominenter Stelle geben. Vorgesehen sind Auftritte in der Münchner Isarphilharmonie, der Hamburger Laeiszhalle, Urania Berlin und im Dresdner Kulturpalast. Der Eintritt zu allen Konzerten ist frei. Der Oberbürgermeister von Dresden (Dirk Hilbert) und der Hamburger Schulsenator (Ties Rabe) haben jeweils Schirmherrschaften für das Projekt übernommen.
Das Abschlusskonzert des Projekt findet im November 2024 in Terezín/Theresienstadt statt in Kooperation mit dem Prager Goethe-Institut.
Im Jahr 1941 errichtete die SS in der böhmischen Stadt Terezín das Lager Theresienstadt. Es diente bis 1945 als Gefängnis für 150.000 deutsche, österreichische, tschechische, später auch holländische und dänische Jüdinnen und Juden. Sie alle wurden zu Opfern der menschenverachtenden nationalsozialistischen Rassenideologie. Jede/r vierte der in Theresienstadt inhaftierten Jüdinnen und Juden starb dort. Von den fast 15.000 Kindern, die nach Theresienstadt kamen, überlebten nur 132. Für Unzählige war der Ort ein „Vorhof der Hölle“. Die letzte Station vor dem Weitertransport in Vernichtungslager wie das KZ Auschwitz-Birkenau.
Es scheint rückblickend kaum vorstellbar, dass sich in Theresienstadt trotz katastrophaler Lebensbedingungen, zermürbender Zwangsarbeit, ständigem Hunger, Krankheit und der allgegenwärtigen Todesangst ein reges kulturelles Leben entwickelte: Organisiert von den Inhaftierten gab es Vorträge, Theater- und Opernaufführungen, Kabarett, Jazzkonzerte sowie zahlreiche Kammermusikdarbietungen. Über fünfzig Mal wurde allein die Kinderoper „Brundibár“ des deutsch-tschechischen Komponisten Hans Krása mit großem Erfolg aufgeführt. Vom Singen im Chor bis hin zur Gestaltung des Bühnenbilds wirkten Kinder und Jugendliche an der Inszenierung maßgeblich mit. Für junge Menschen waren die künstlerische Betätigung und der Unterricht, den jüdische KünstlerInnen und PädagogInnen im Lager organisierten, von großer Bedeutung. Beides enthob, zumindest für einen Augenblick, von den Grauen des Alltags. Wie vielfältig die Kreativität junger Menschen in Theresienstadt war, dokumentieren zahlreiche Texte, Gedichte und Zeichnungen.
Die kulturellen Aktivitäten von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in Theresienstadt wurden seitens der nationalsozialistischen Machthaber zunächst geduldet, später auf zynische Weise für Propagandazwecke missbraucht: Theresienstadt wurde der Weltöffentlichkeit als „Musterlager“ mit vielseitigem Freizeitangebot präsentiert. Im Auftrag der SS entstand der Propagandafilm „Theresienstadt. Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet“. Der Film zeigt u.a. die Uraufführung eines Orchesterwerks des hochbegabten tschechischen Komponisten Pavel Haas. Dieser stand bei den Aufnahmen selbst am Pult. Kurz nach Abschluss der Dreharbeiten wurde Pavel Haas wie fast alle Mitwirkenden des Films in das KZ Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet.
Unser Anspruch
Durch das einzigartige musikpädagogische Gesamtkonzept, in dem die MusikerInnen von OPUS 45, TV-Schauspieler Roman Knižka, das Team des Jugend- & Kulturprojekt e.V., Arrangeur Prof. Dr. Matthias Hermann (Prorektor der HMDK Stuttgart), Dramaturgin Kathrin Liebhäuser, Theaterpädagogin Lisa Hörmann sowie ein erfahrener Akteur der historisch-politischen Bildung Jugend- & Kulturprojekte e.V. gemeinsam mit SchülerInnen und LehrerInnen kreativ agieren, soll nicht nur ein interessiertes Publikum erreicht werden, sondern auch Nachkommen von verfolgten KünstlerInnen des NS-Regimes und junge Menschen angesprochen werden, die sich mit Musik und dem musikalischen Erbe identifizieren und diese in einen Gegenwartsbezug setzen.
Unsere Zielstellung
„Ich wand’re durch Theresienstadt“ schlägt eine Brücke zwischen den historischen Ereignissen und dem Leben junger Menschen heute und geht zugleich der Frage nach, wie es zu jener Zeit möglich war, an einem Schreckensort wie Theresienstadt künstlerisch zu wirken. Durch die Vermittlung des Lebens der in Theresienstadt inhaftierten KünstlerInnen und ihrer Werke soll den Jugendlichen bewusst gemacht werden, dass geschichtliche Ereignisse stets mit der Gegenwart verwoben sind.
Das Projekt wird durch kreative, künstlerische und partizipative Zugänge dazu beitragen, den im öffentlichen Bewusstsein wenig verankerten Aspekt der Verfolgung von MusikerInnen und anderen künstlerischen AkteurInnen im Nationalsozialismus zu stärken. Ziel ist es vor allem Jugendliche, aber auch ihre Lehrkräfte dafür zu sensibilisieren, welchen unmenschlichen Lebenssituationen und Gräueltaten die NS-Opfer im Ghetto Theresienstadt ausgesetzt waren, sowie an deren eindrucksvolles künstlerisches Erbe zu erinnern.
Konzerte
Im Rahmen des Projekts finden sieben musikalische Lesungen statt. Stationen sind Berlin, Dresden, Hamburg, München und Strausberg, die deutsche Partnerstadt von Terezín. Darüber hinaus wird es ein Abschlusskonzert in Terezín geben. Alle Veranstaltungen sind öffentlich. Der Eintritt ist frei. Roman Knižka liest aus Werken und Erinnerungen u.a. von Ruth Klüger, Zvi Cohen, Leo Strauss, Jana Renée Friesová, Helga Hošková-Weissová, Hannelore Brenner-Wonschick und Gerty Spies. Gedichte und Texte von Kindern und Jugendlichen, die in Theresienstadt inhaftiert waren, kommen ebenso zu Gehör, wie Lyrik der in Theresienstadt als Kinderkrankenschwester arbeitenden Schriftstellerin Ilse Weber. Das Bläserquintett OPUS 45 spielt Kompositionen u.a. von Pavel Haas, Hans Krása, Viktor Ullmann und Gideon Klein. In Theresienstadt inhaftiert und von den Nationalsozialisten ermordet, geriet das Werk dieser bedeutenden Komponisten nach Ende des Zweiten Weltkriegs lange Zeit in Vergessenheit. Mindestens 10% des Konzerts werden aus Beiträgen der SchülerInnen bestehen – Beiträge, die innerhalb der vorangegangenen Workshops entstanden sind. Im Anschluss an jede Aufführung findet ein ausführliches und pädagogisch moderiertes Nachgespräch statt.
Workshops
Eine eigene künstlerisch-kreative Auseinandersetzung mit Werken von in Theresienstadt inhaftierten KünstlerInnen findet in einer eigens für das Projekt entwickelten Schulworkshopreihe statt, die sich jugendgemäßer kunstpädagogischer Methoden bedient. Es werden drei parallel stattfindende Workshop zu den Themen Schauspiel, Kreatives Schreiben und Film angeboten. Die Workshops, die auf das Konzerterlebnis vorbereiten, schlagen eine Brücke von den historischen Ereignissen hin zur Lebenswelt der Jugendlichen heute. Ausgehend von Überlegungen, warum die Menschen in Theresienstadt trotz der furchtbaren Umstände weiterhin Kunst gemacht haben, wird erörtert, was künstlerischer Ausdruck für Menschen im Allgemeinen bedeutet. Es wird darüber gesprochen, welche Kunstformen die Jugendlichen selbst konsumieren bzw. kreieren und was Kunstschaffen ihnen persönlich bedeutet.
Filme
Die Höhepunkte der Workshops sowie die Konzerte in Berlin, Dresden, Hamburg, München, Strausberg und das Abschlusskonzert in Terezín werden in künstlerisch gestalteten Kurzfilmen unter der Leitung des Dresdner Jugend- & Kulturprojekt e.V. dokumentiert und später veröffentlicht.